(c) Dorothea Tuch

Reisepolicy

Die im Bündnis zusammengeschlossenen sieben internationalen Produktionshäuser sind Orte der internationalen Kooperation, an denen sich Künstler*innen aus vielen Teilen der Welt begegnen und auf ein Publikum treffen. Diese Institutionen für alle – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Nationalität, Behinderung, Religion, Kultur, Aufenthaltsstatus, Alter, Klasse, Aussehen oder weiterer Zugehörigkeiten und Zuschreibungen – nachhaltig zu gestalten, verstehen wir als gesellschaftliche Aufgabe und Verpflichtung.

Der Programmatik der Produktionshäuser entsprechend, sind regelmäßig Reisen erforderlich. Wir verpflichten uns, unsere Mitarbeiter*innen, unsere Kooperationspartner*innen, künstlerische, technische und administrative Produktionsteams zu bestärken, stets zu einer Kultur der Ressourcenschonung beizutragen.

Die folgenden Richtlinien[1] stellen eine Selbstverpflichtung dar und gelten für alle von uns veranlassten Reisen. Sie wenden sich auch an alle Vertragspartner*innen ohne Ausnahme und dienen beispielhaft dazu, emissionsarme Mobilität in das eigene Handeln zu integrieren. Sie stellen sicher, dass Reisen nachhaltig koordiniert, effizient und wirtschaftlich organisiert, durchgeführt und abgerechnet werden.

Die Umsetzung innerhalb der einzelnen Produktionshäuser obliegt den Häusern selbst.

Kriterienkatalog zu Reisen
Grundlagen

Wir prüfen und klären vor einer Reise deren Notwendigkeit und Ziele. Unser Vorgehen sieht folgendermaßen aus:

  • Transportmittel wählen wir orientiert am CO2-Ausstoß aus: erstens vermeiden, zweitens vermindern und erst zuletzt kompensieren.
  • Wo immer möglich, ersetzen wir Reisen durch Telefon- oder Videokonferenzen und weiten die Potenziale digitaler Plattformen weiter aus.
  • Reisen werden zudem frühzeitig von uns geplant, Reiserouten optimiert, indem wir mehrere Ziele und Termine und Reisende miteinander kombinieren.
  • Sowohl für die Anreise als auch für die Fortbewegung vor Ort übernehmen wir nur die Kosten für klimafreundliche und umweltschonende Transportmittel. Aspekte wie Zeitaufwand, Qualität der Verbindungen, Sicherheit, Entfernung werden innerhalb des Zumutbaren berücksichtigt.
  • Access-, Barrierearmuts- und Sicherheitsfragen berücksichtigen wir.

1. Nutzung von Transportmitteln für An- und Abreisen

Bus- und Bahnfahrten

Für Reisen wird vorrangig die Bahn als Verkehrsmittel genutzt. Bus- oder Bahnfahrten auch aus dem Ausland nach Deutschland sind vertretbar, wenn die Reisedauer von 8 Stunden nicht überschritten wird.

Flüge

Flüge innerhalb von Deutschland werden generell vermieden und die Flugkosten werden aus Gründen des Klimaschutzes in der Regel nicht erstattet. Das gilt auch für Flugreisen in das benachbarte Ausland (insbesondere bei gut angebundenen Großstädten). Ausnahmen können u.a. für Reisende mit besonderen Anforderungen an Access und Sicherheit genehmigt werden; kurzfristige Umbesetzungen, z.B. aufgrund von Krankheit, können zur Sicherung von Vorstellungen ebenfalls Ausnahmen erforderlich machen. Ausnahmen bedürfen der betrieblichen Genehmigung. Die entscheidende Instanz sowie Regelungen bei Nichtbeachtung bestimmt jedes Produktionshaus selbst.

Generell gilt für Reisen:
Aufenthaltszeit, Reisezeit und Entfernung müssen in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen. Daraus resultierend dürfen nur folgende Flugreisen durchgeführt werden:

  • Flüge unter einer Entfernung von 800 km sind dann zulässig, wenn die Fahrtzeit per Bus oder Bahn über 8 Stunden liegt.
  • Flüge über 800 km bis 3.800 km = Reisedauer mindestens 5 Tage.
  • Flüge über 3.800 km = Reisedauer mindestens 10 Tage.

Die Aufenthaltsdauer beinhaltet die An- und Abreise; Direktflüge werden Verbindungen mit Umstieg vorgezogen; alle zurückgelegten Flugkilometer werden erfasst und kompensiert. Wo Fördermittelgeber*innen Kompensationszahlungen noch nicht in Budgets akzeptieren, wirken wir auf eine Akzeptanz bei Vertragsabschlüssen hin.

PKW

Grundsätzlich wird bei Fahrten mit dem PKW abgewogen, ob die Nutzung insgesamt verhältnismäßig ist und ökologischere Alternativen ausscheiden. Sofern PKW-Fahrten für Transporte oder aus oben genannten Gründen wie Sicherheit oder Barrierefreiheit nötig sind, wird auf Fahrgemeinschaften und Elektromobilität geachtet. Auch für Transporte werden Alternativen wie Lastenräder und Fahrradkurierdienste genutzt, wenn die zu befördernde Last es erlaubt. Im Zweifelsfall wird die Selbstbesorgung mit einem emissionsarmen Fahrzeug der Fremdbesorgung mit hohem CO2-Ausstoß vorgezogen; Zeit- und Personalmehraufwand erachten wir als sinnvoll.

Der Fuhrpark und die technische Infrastruktur der Häuser werden diesen Bedürfnissen entsprechend reduziert oder umgestaltet, z.B. durch langfristige Ersetzung von Verbrennern durch Elektrofahrzeuge und die Anschaffung von Lastenfahrrädern.

2. Transportmittel vor Ort

Innerstädtisch werden vorrangig die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Fahrrad genutzt, eine nachrangige Alternative sind E-Bikes, E-Roller oder E-Scooter. Leihfahrräder für Gäst*innen/Künstler*innen und Mitarbeiter*innen werden als Anschaffung geprüft.

Die Bündnishäuser als Veranstalter*innen und Gastgeber*innen organisieren den Transfer vom Flughafen/Bahnhof zum Hotel und zwischen Hotel/Proberaum/Vorstellungsort nach Möglichkeit unter oben genannten Bedingungen. Innerstädtische PKW-Fahrten werden während des Aufenthalts nur in vorher zu begründenden Ausnahmen erstattet, z.B. bei Nachtfahrten, Erkrankung, Behinderung, schwerem Gepäck oder aus Sicherheitsgründen. Sollten PKW benötigt werden, ist Elektromobilität zu bevorzugen.

3. Unterbringung

Die Wahl der Unterkunft beeinflusst die Umweltbilanz einer Geschäftsreise. Für die Übernachtung werden daher umweltverträglich wirtschaftende Hotels genutzt. Diese zeichnen sich unter anderem durch einen bewussten Umgang mit Wasser und Energie, durch den Einkauf ressourcenschonender Produkte und ein nachhaltiges Abfallmanagement aus.

Dabei wählen wir Unterkünfte nach folgenden Überlegungen aus:

  • Sämtliche Hotels werden so gebucht, dass man relevante Orte zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem ÖPNV erreichen kann.
  • Bei der Buchung wird auf Umweltzertifikate geachtet oder die Nachhaltigkeitsstrategie des Hotels recherchiert, um zu belegen, dass Umweltmaßnahmen ergriffen werden. Häufig verfügen nur größere Hotels über eine Zertifizierung. Kleinere und Hotels ohne Extras wie Schwimmbäder etc. haben häufig einen geringeren CO2‐Fußabdruck pro Gast.
  • Wenn möglich, sind eine Übernachtung bei Privatpersonen oder eine Nutzung von Sharing-Angeboten klimaschonende Alternativen.

4. Empfehlung

Wir werden den erforderlichen Mehraufwand, der sich aus dieser Reisepolicy ergibt, in der Vertragsgestaltung berücksichtigen. Analog dazu nehmen die Produktionshäuser bei Reisen einen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand in Kauf.

5. Ausblick

Mit der Reisepolicy des Bündnisses internationaler Produktionshäuser geht der Zusammenschluss von sieben Institutionen der zeitgenössischen performativen Künste, die zu den größten in Deutschland zählen, einen weiteren Schritt in eine klimaverträgliche Produktion und Präsentation der Künste. Der ökologische Wandel und die Eindämmung der Folgen des menschengemachten Klimawandels bilden einen wichtigen inhaltlichen Themenschwerpunkt des Bündnisses. Mit der Reisepolicy wirkt das inhaltliche Thema hinein in die Strukturen und Abläufe der beteiligten Institutionen und führt zu wichtigen, konkreten und messbaren Veränderungen. Für die Abläufe innerhalb der Produktionshäuser ist die Reisepolicy gleichzeitig Chance und Herausforderung: Zukünftig stellen sich Fragen danach, wie der Kriterienkatalog möglichst reibungslos umgesetzt werden kann. Welche Anreize für Mitarbeiter*innen geschaffen werden können, die eine Veränderung der Abläufe unterstützen und vereinfachen. Die Reisepolicy setzt einen konkreten Anfang und fungiert auch als Ausgangspunkt für weitere notwendige Veränderungen der Arbeit innerhalb der Häuser, die über den Bereich Reisen und Touring hinausgehen.

Berlin, Dezember 2023

 

[1] Die folgenden Richtlinien beschreiben unsere Zielstellung und den aktuellen Rahmen unseres Handelns. Dort wo unsere Rechtsträger und Zuwendungsgeber aus gesetzlichen, zuwendungsrechtlichen oder sonstigen Gründen die Anwendung der folgenden Grundsätze nicht erlauben, werden wir uns für ihre Anwendbarkeit einsetzen und zugleich nach Alternativen suchen, um diesen Grundsätzen so nahe wie möglich zu kommen.