
Digitale Tanzpraktiken im Fokus – eine Residenz am tanzhaus nrw
Tanz entwickelt sich stetig weiter – nicht nur auf Bühnen, sondern auch in digitalen Räumen. Soziale Medien, Videospiele, Apps und digitale Plattformen haben neue Formen des Tanzes hervorgebracht, die Millionen von Menschen weltweit erreichen. Besonders auf Plattformen wie TikTok entstehen Tanztrends, Tutorials und Bewegungsformen, die Tanz nicht nur vermitteln, sondern ihn auch als soziale und künstlerische Praxis neu definieren.
Als internationales Zentrum für zeitgenössischen Tanz startet das tanzhaus nrw mit der Residenz für Digital Dance Creators ein neues Residenzvorhaben. Im April erhalten vier internationale Tanzkünstler*innen, deren künstlerische Praxis vor allem online stattfindet, die Möglichkeit, drei Wochen lang gemeinsam zu forschen, sich auszutauschen und neue Perspektiven auf digitalen Tanz zu entwickeln. Die Residenz erforscht die Potenziale digitaler Tanzpraktiken – ein Feld, das bislang oft ohne institutionelle Unterstützung auskommen musste.
Ziel ist es, den Künstler*innen Zeit und Raum zu geben, ihre Praxis zu hinterfragen, weiterzuentwickeln und ihre Interaktion mit der eigenen Community kritisch zu reflektieren. Dabei stehen Fragen im Mittelpunkt wie: Welche Inhalte produzieren sie – und wie beeinflusst das ihre künstlerische Identität? Welche Entwicklungspotentiale sehen sie in ihrer digitalen Praxis? Wie verändert sich Tanz, wenn er primär für digitale Plattformen geschaffen wird? Wenn diese Arbeit als Kunst verstanden wird, welche Verantwortungen gehen einher mit diesen Praktiken? Welche neuen ästhetischen und sozialen Dynamiken entstehen durch diesen Prozess?
Die Rolle sozialer Medien wird im Rahmen der Residenz auch kritisch reflektiert. Diese Plattformen sind nicht nur Räume, in denen neue Tanzpraktiken entstehen, sondern auch Orte, an denen wirtschaftliche Interessen dominieren, Algorithmen Hass und Desinformation verbreiten und verstärken und politische Einflussnahmen sichtbar werden. Dennoch sind soziale Medien zentrale Orte gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Tanz und Bewegung spielen in diesen digitalen Räumen eine bedeutende Rolle – als künstlerische Ausdrucksformen, aber auch als Mittel politischer und sozialer Artikulation. Deshalb ist es entscheidend, diese Entwicklungen künstlerisch zu beforschen und mitzugestalten, anstatt sie allein den Konzernen zu überlassen.
Während der Residenz haben die Teilnehmer*innen Zugang zu den Studios des tanzhaus nrw, um ihre Ideen physisch zu erproben und ihre künstlerische Praxis zu vertiefen. Zudem können sie am Kursangebot der Akademie teilnehmen, um neue Tanzstile kennenzulernen und ihr Bewegungsvokabular zu erweitern.
Als Produktionshaus für Tanz stellt sich das tanzhaus nrw zudem der Frage, wie online entstehende Tanzpraktiken neue Wege der Publikumsansprache eröffnen. Tanz auf sozialen Medien verändert nicht nur, wie Tanz produziert und kuratiert wird, sondern auch, wie er rezipiert wird – sei es auf dem Smartphone, unterwegs oder zu Hause. Welche neuen Formate kann eine Institution entwickeln, um diese Tanzformen zugänglich zu machen?
Begleitet wird die Residenz von Choreograf und Tanzwissenschaftler Sebastian Matthias sowie tanzhaus nrw-Dramaturg Philipp Schaus, die als Mentoren den Reflexionsprozess unterstützen. Die Idee für eine Residenz für Digital Dance Creators entstand innerhalb der Zusammenarbeit von Arne Siebenmorgen, Brig Huezo, Caspar Weimann und Philipp Schaus im von Sebastian Matthias künstlerisch geleiteten Forschungslabor Post Internet Dances, das von Herbst 2022 bis Anfang 2023 im tanzhaus nrw stattfand. Im Dialog miteinander arbeiteten Sebastian Matthias und Philipp Schaus die Idee zum Konzept aus.
Die Residenz für Digital Dance Creators wird gefördert durch die Europäische Union und das Goethe-Institut sowie durch das Bündnis Internationaler Produktionshäuser, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.