
Residenz im Realen von Katja Heitmann
Akademie Kunst und Begegnungen
Produktionshäuser begreifen sich zunehmend nicht nur als Spielstätten, sondern als Orte der Begegnung. Sie dienen dem Austausch zwischen verschiedenen Altersgruppen, Kulturen und Sozialisationen. So sind Partizipation und Beteiligung als künstlerische Strategien heute in den Produktionshäusern konzeptuell fest verankert. An der Schnittstelle zwischen Öffentlichkeitsarbeit, Dramaturgie und Vermittlung hat sich in den vergangenen Jahren ein neues Berufsbild etabliert. Mit dem Ziel, dieses neue Berufsfeld im Hinblick auf künstlerische, gesellschaftliche und politische Dimensionen zu analysieren und weiterzuentwickeln, gründete das Bündnis internationaler Produktionshäuser in 2020 die Akademie Kunst & Begegnungen.
Die Praktiken der Begegnung an den verschiedenen Produktionshäusern zeichnen sich dadurch aus, dass sie langfristig eine Beziehung zu ihrem vielfältigen Publikum und ihrem jeweiligen ortsspezifischem Umfeld aufbauen. Idealerweise werden dadurch kulturelle Zugänge in verschiedene Richtungen geschaffen und Barrieren abgebaut. In der Diversität der Projekte, die neue Formen von Beteiligung entwerfen, spiegelt sich die Komplexität eines weiterzuentwickelnden Berufsfeldes wider: es reicht von der künstlerischen Praxis, in der performative Strategien der Beteiligung und kollektive Autor*innenschaften erprobt werden, bis hin zu öffentlichkeitswirksamen, publikumsentwickelnden Maßnahmen. Bereits existierende Aktionsräume wie Migrantpolitan auf Kampnagel, der Kulturgarten in HELLERAU oder die WerkStadt von PACT Zollverein sind beispielhaft dafür. In verschiedenen Begegnungs- und Rechercheformaten wird Wissen verhandelt und künstlerisch experimentiert: der Houseclub des HAU Hebbel am Ufer, die Residenzen im Realen vom tanzhaus nrw, oder das Neugier Abo im Mousonturm um einige unterschiedliche Ansätze zu benennen. Ein Paradigmenwechsel hat das FFT mit dem Programm „was ihr wollt“ initiiert, bei dem es die Spielplangestaltung eines Monats einem Zuschauer*innen-Forum anvertraute.
Die Akademie Kunst & Begegnungen bot in den Jahren 2021/22 ein Forum für Austausch und Auseinandersetzung mit bestehenden Praktiken, in dem gemeinsam neue und noch zu erfindende Praktiken und Tools erprobt wurden. Hier wurden Fragen, Haltungen und Strategien des demokratischen Miteinanders verschiedener sozialer Kontexte mit den Mitteln der Künste untersucht. Auch die hinter den Projekten stehenden Strukturen wurden kritisch analysiert und der Stellenwert von Vermittlungsarbeit innerhalb von Institutionen verhandelt. Dafür stellten die Produktionshäuser der Akademie bereits existierendes Wissen in Form von praxisnahen thematischen Modulen und mehreren Arbeitstreffen bereit.
Die Akademie Kunst & Begegnungen richtet sich an Menschen, die gemeinsam Strategien der Beteiligung an der Schnittstelle von Kunst und Gesellschaft verhandeln und entwickeln möchten und ludt sie ein, ihre Expertisen und Perspektiven einzubringen: Nachbar*innen, Aktivist*innen, Vermittler*innen, Dramaturg*innen, Multiplikator*innen, Pädagog*innen, Kunstinteressierte, lokale Communities.
Akademieleitung 1. Ausgabe (2021/22): Cornelia Hinterschuster / Yasmine Salimi
Arbeitsgruppe Kunst & Begegnungen 1. Ausgabe (2021/22): FFT – Irina-Simona Bârcă / Katja Grawinkel-Claassen, HAU – Stella Konstantinou / Volkan Türeli, HELLERAU – Christopher Utpadel, Kampnagel – Claire Diraison / Anna Teuwen / Mariia Vorotilina, Mousonturm – Leander Ripchinsky, PACT Zollverein – Benjamin Melzer / Neda Pouryekta, tanzhaus nrw – Mijke Harmsen
Über einen Open Call wurden Interessierte für die Teilnahme an der ersten Ausgabe gesucht. Die Bewerbungsfrist endete am 05. April 2021.
Der Auswahlkommission gehören an: Mijke Harmsen, Cornelia Hinterschuster, Zwoisy Mears-Clarke, Yasmine Salimi, Annemie Vanackere
Informationen zur Barrierefreiheit der Akademie Kunst und Begegnungen sind hier zu finden.
Den ersten Jahrgang der Akademie Kunst und Begegnungen gibt es auch als Podcast: Melanie Sien Min Lyn hat die Veranstaltungen dokumentarisch begleitet und gemeinsam mit Lydia Sarges als künstlerische Hörversion in zwei Folgen verarbeitet. Der Podcast ist eine situative Dokumentation der Akademie und macht ihre Inhalte über den Kreis der Teilnehmer*innen hinaus zugänglich.
Der Podcast von Melanie Sien Min Lyn und Lydia Sarges

Der erste Jahrgang der Akademie Kunst und Begegnungen wurde von Melanie Sien Min Lyn dokumentiert und gemeinsam mit Lydia Sarges in Form eines Podcasts künstlerisch verarbeitet.
Zwischen Juni und November 2021 fanden verschiedene mehrtägige Module zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten statt. Diese Treffen fanden aufgrund der Corona-Pandemie teilweise online, teilweise vor Ort, in Kooperation mit Kampnagel in Hamburg, dem HAU Hebbel am Ufer in Berlin, dem tanzhaus nrw und dem FFT Forum Freies Theater in Düsseldorf statt. Dabei waren zahlreiche interdisziplinäre Expert*innen eingeladen, über ihre Praxis zu berichten. Die Akademie Kunst und Begegnungen ist ein Programm mit limitierter Platzkapazität. Die insgesamt 18 Teilnehmer:innen der Akademie bewarben sich im Vorfeld auf einen Open Call und wurden von einer Jury ausgewählt. Der Podcast ist eine situative Dokumentation der Veranstaltungen im Rahmen der Akademie und soll ihre Inhalte über den Kreis der Teilnehmer:innen hinaus zugänglich machen.
Der Podcast ist in deutscher und englischer Lautsprache. Zu jeder Folge gibt es ein entsprechendes Transkript.
Folge 1: „Working on Situated Encounters / Arbeit und Wissenstransfer“
Die Akademie Kunst und Begegnungen richtet sich an Menschen, die die Schnittstelle zwischen Kunst und Begegnungen als ihren Arbeitsschwerpunkt begreifen. Wie werden Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch praktiziert und reflektiert — in den jeweiligen Projekten, im Arbeitsalltag, in der Akademie? Wie lassen sich die Bedingungen einer Begegnung in den Umgangsweisen, den Arbeitsweisen und letztendlich den Institutionen so gestalten, dass sie Kollektivität ermöglichen? Wie ist das Verhältnis zwischen Begegnung als beruflicher Praxis und als gesellschaftspolitischem Anspruch? Können Kulturinstitutionen Laboratorien für ein gesellschaftliches Miteinander sein?
Dazu gaben verschiedene Gäst*innen in Form von Inputs, Workshops und Gesprächen inhaltliche Impulse. Irina-Simona Bârcă und Stella Konstantinou erzählten, wie es zur Idee der Akademie Kunst und Begegnungen kam (ab Min. 03:20). Tereza Stejskalová und Hana Janečková berichteten über ihre Arbeit bei tranzit und Display und das Spannungsfeld zwischen feministischer Praxis und institutionellen Rahmenbedingungen (ab Min. 07:35). Dabei thematisierten sie auch spezifische Herausforderungen einer feministischen, antirassistischen Kunstproduktion im osteuropäischen Kontext. Gatari Surya Kusuma sprach über die Radikalität von Freund:innenschaft als antikapitalistisches Konzept und künstlerische Methode der Begegnung (ab Min. 17:20). Die Akademie-Teilnehmerin Ioulia Kokkokiou beendete die Veranstaltung mit einer angeleiteten Meditation (ab Min. 23:00).
In der ersten Folge des Podcasts zu hören sind: Irina-Simona Bârcă, Cornelia Hinterschuster, Hana Janečková, Ioulia Kokkokiou, Stella Konstantinou, Gatari Surya Kusuma, Melanie Sien Min Lyn, Yasmine Salimi, Tereza Stejskalová
Folge 2: “Spaces of Encounter / Räume der Begegnung”
Die Spielräume von Kunst und Begegnungen hängen stark davon ab, wo sie verortet sind – vom lokalen Kontext, von der kulturellen Infrastruktur, dem sozialen Umfeld. Welcher Umgang mit Öffentlichkeit und Nachbar*innenschaft findet statt? Wie hängen urbane Lebensrealitäten mit ländlichen zusammen, was unterscheidet sie? Und was bedeutet das für die künstlerische Praxis vor Ort?
Am Beispiel vom HAU Hebbel am Ufer wurden Einblicke in die stadtpolitische Vermittlungspraxis im Rahmen von HAU to connect sowie in die Zusammenarbeit mit Jugendlichen und Schulen im Rahmen des Houseclub gegeben (ab Min. 01:10). Sascia Bailer berichtete von ihrer Arbeit als Künstlerische Leiterin 2019/20 des M.1 in Hohenlockstedt der Arthur Boskamp-Stiftung (ab Min. 24:15). Drei Teilnehmer*innen der Akademie, Sophya Kallista Frohberg, Ioulia Kokkokiou und Thủy-Tiên Nguyễn, reflektieren die Arbeit an der Begegnung, die Gefahr der Tokenisierung und die häufig ungleichen Machtverhältnisse zwischen Kulturinstitutionen und marginalisierten Gruppen im Kulturbetrieb (ab Min. 17:55). Tmnit Zere gab in einem offenen Gespräch Einblicke in die Arbeit des Nyabinghi Lab und sprach über das Projekt „Freistaat Barackia — Landscapes of Liberation“ (ab Min. 32:55). Neben diesen praxisorientierten Beispielen, die konkrete Strategien, Fragen und Herausforderungen aufzeigten, fand im zweiten Modul der Akademie ein Open Space statt (ab Min. 17:05). Dabei konnten eigene Themen und Anliegen benannt und in selbstgewählten Gruppen diskutiert und bearbeitet werden. Der Open Space wurde von Yaari Pannwitz begleitet.
Zu hören sind: Sascia Bailer, Sophya Kallista Frohberg, Cornelia Hinterschuster, Ioulia Kokkokiou, Stella Konstantinou, Melanie Sien Min Lyn, Thủy-Tiên Nguyễn, Yasmine Salimi, Thu Trang Dong, Volkan Türeli, Tmnit Zere
Danke an das Bildungskollektiv „erklär mir mal…“ für die Bereitstellung von Content aus dem TikTok-Kanal @theatern (Sprecherin: Josephine „Pepita“ Niang).